Nachruf: Trauer um Walter Leicht

Nachruf: Trauer um Walter Leicht

Rosenheim – Trauer um den ehemaligen Leiter des Städtischen Museums Rosenheim: Walter Leicht starb im Alter von 67 Jahren nach langer, schwerer Krankheit. 

Im Frühjahr 2023 verabschiedete sich Walter Leicht mit der Eröffnung der Sonderausstellung „Sammelsurium“ im Städtischen Museum Rosenheim nach 22 Jahren in den Ruhestand. Zuvor gab er Innpuls.me noch ein Interview. Den Titel für diesen Beitrag hat er sich selbst ausgesucht. Wichtig war ihm dabei der Begriff „Tor-Wächter“.

Wächter des Mittertors

Dieses Wortspiel gefiel ihm deshalb so gut, weil er als Kind sehr gerne auf dem Fußballfeld im Tor stand und später dann als Leiter des Städtischen Museums quasi Wächter des Mittertors wurde.
Walter Leicht war in seiner Jugendzeit ein begeisterter Sportler. Darum trug er zur Sonderausstellung „Ro-Lympisch`72“ im Jahr 2022 auch selbst ein Exponat bei: seine eigenen Basketball-Chucks.
Ebenso groß wie die Liebe zum Sport war bei ihm aber von klein auf auch die Begeisterung für Geschichte – und diese konnte er dann als Leiter des Städtischen Museums in vollen Zügen ausleben. Zu fast jedem Exponat wusste er eine Geschichte zu erzählen und mit Begeisterung war er ständig auf der Suche auf neuen Ausstellungsstücken. Sein Motto dabei lautete: „Geschichte beginnt heute“.
53 Sonderausstellungen zu den unterschiedlichsten kulturgeschichtlichen Themen hat der Historiker organisiert. Wobei ihm als Rosenheimer auch immer wichtig war, dass der Fokus dabei auf der Stadt und ihren Bewohnern lag.Als er sich im vergangenen Jahr in den Ruhestand verabschiedete, hatte er noch viel vor. Rennradfahren, Bergwanderungen, Skifahren und Lesen lauteten seine Ziele, außerdem Zeit mit seiner Enkelin verbringen und ab und zu Führungen im Städtischen Museum leiten. Leider war ihm das alles viel zu kurz vergönnt. Nun heißt es schweren Herzens Abschied nehmen.
Die Beerdigung findet am kommenden Freitag, 8. November statt. Um 12.30 Uhr beginnt der Gottesdienst in der Klosterkirche St. Sebastian, um 13.45 Uhr folgt die Beisetzung auf dem Städtischen Friedhof.
(Quelle: Artikel: Karin Wunsam / Beitragsbild: Archiv Innpuls.me)

Was macht eigentlich das Städtische Museum Rosenheim?

Was macht eigentlich das Städtische Museum Rosenheim?

Rosenheim –  79 Sonderausstellungen gab es schon in der Geschichte des Städtischen Museums Rosenheim. Immer ging es um Themen aus der Stadtgeschichte. Bei der 80. Sonderausstellung steht nun das Städtische Museum selbst im Fokus. Der Titel lautet: „Sammelsurium“. Den Besuchern wird dabei anschaulich und leicht verständlich erklärt, welche Aufgaben das Museum eigentlich hat und wie Erwerb und Aufbewahrung von Exponaten funktionieren.

Walter Leicht zeigt in den Ausstellungkasten mit den Archivbüchern und Karteikarten

Immer schon wurde jedes Exponat beim Eintreffen in das Städtische Museum genau registriert und dokumentiert. Mittlerweile geht das natürlich auch in digitaler Form. Fotos: Innpuls.me

Die Sonderschau „Sammelsurium – Was macht eigentlich das Städtische Museum Rosenheim“ gewährt 128 Jahre nach der Gründung erstmals einen Blick hinter die Kulissen. An Hand eines wertvollen Bechers aus der Werkstatt des Rosenheimer Goldschmieds Ambrosius Ruedorffer werden den Besuchern die vier Säulen der Museumsarbeit aufgezeigt: Sammeln, Bewahren, Erforschen, Präsentieren und Vermitteln.

Becher aus der Werkstatt des Rosenheimer Goldschmieds Ambrosius Ruedorffer

Anhand des Bechers aus der Werkstatt des Rosenheimer Goldschmieds Ambrosius Ruedorffer werden den Besuchern die vier Säulen der Museumsarbeit aufgezeigt. Fotos: Innpuls.me

In einem eigens inszenierten Schauraum wurde eine Fülle von Gegenständen zusammen angeordnet. Von alten Römerscherben über Geschirr und Fesseln aus dem Mittelalter bis hin zu einem goldfarbenen Eishockeyhelm ist alles dabei. Eben ein wahres „Sammelsurium“ – also laut Wikipedia „eine ungeordnete, unsystematisch, ohne Zweck angelegte Sammlung!? Dem ist natürlich nicht so.

Blick auf eine Fülle von Exponaten im Städtischen Museum Rosenheim. Foto: Innpuls.me

Auch hinter diesem augenscheinlichen „Sammelsurium“ von Exponaten steckt durchdachte Ordnung.

Der Titel der aktuellen Sonderausstellung wurde bewusst provokant gewählt. In Wirklichkeit geht ohne Ordnung und System in einem Museum gar nichts, da macht auch das Städtische Museum Rosenheim keine Ausnahme.
Auch in der auf den ersten Blick willkürlichen Aneinanderreihung der unterschiedlichsten Exponate aus den verschiedensten Zeit-Epochen ist nichts dem Zufall überlassen. Der Besucher erlebt hier 2000 Jahre Rosenheimer Stadtgeschichte quasi im Zeitraffer.

 

2000 Jahre Stadtgeschichte Rosenheim begegnet den Besuchern im Städtischen Museum Rosenheim. Foto: Innpuls.me

2000 Jahre Stadtgeschichte Rosenheim begegnet den Besuchern im Städtischen Museum Rosenheim.

Viele der Exponate, die bei „Sammelsurium“ zu sehen sind, werden erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Denn von den insgesamt rund 25.000 Exponaten des Städtischen Museums Rosenheim  werden nur etwa 5000 dauerhaft ausgestellt. Alle anderen kleinen und großen Dinge lagern sicher verwahrt im Depot. „Das Depot ist die Herzkammer eines jeden Museums“, erklärt Walter Leicht. Für ihn war es die letzte Sonderausstellung, die er als Leiter des Städtischen Museums Rosenheim realisiert hat. Mit der Eröffnung verabschiedete er sich nach 22 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand (wir berichteten) Unterstützt wurde Walter Leicht bei der Realisierung unter anderem von der Historikerin Lydia Zellner. Verantwortlich für die Ausstellungsgestaltung war Marlene Thimet.

Der ehemalige Museumsleiter Walter Leicht vor der alten Depottür. Foto: Innpuls.me

Walter Leicht mit der alten Tür des Museumsdepot – nun auch ein Exponat. 

Nicht jedes der Exponate, das bei der Sonderausstellung gezeigt wird, wirkt auf den ersten Blick spektakulär und nicht alles ist uralt. Einer der aktuellen Neuzugänge ist beispielsweise eine rote Stofftasche der Metzgerei Angerer, die erst kürzlich geschlossen wurden. Noch nicht lange im Besitz des Städtischen Museums ist auch ein Tisch und zwei Stühle aus dem ehemaligen Cafè Weth. Die Möbel standen ab Mitte der 1950er Jahre bis zur Schließung des Cafès im Jahr 2020 im Gastraum im Zwischenstock.

Stofftasche der Metzgerei Angerer neben alter Urkunde. Foto: Innpuls.me

Eine alte Bürgerrechts-Urkunde neben einer roten Stofftasche der Metzgerei Angerer. Beides gehört zur Geschichte der Stadt. 

Möbel des einstigen Rosenheimer Cafe Weth. Foto: Innpuls.me

Ende 2020 schloss eines der letzten Rosenheimer Traditions-Cafèhäuser, das Cafè Weth am Max-Josefs-Platz 30. Eröffnet wurde es im Jahr 1878. Bei einem Umbau in den 1950er Jahren wurde in den Gastraum im Zwischengeschoß eine Empore mit Wendeltreppe eingezogen, um mehr Sitzplätze zu gewinnen. Dort standen diese Möbel bis zur Schließung.

Die Idee, auch Plastiktüten zu sammeln und zu bewahren, ist der jüngste Sammlungsansatz im Städtischen Museum Rosenheim. „Den Anstoß dazu gab das sich ankündigende Verbot der klassischen Plastiktüte mit einer Wandstärke zwischen 15 und 48 Mikrometern. Dieses Verbot ist zum 1. Januar 2022 in Kraft getreten“, erzählt Walter Leicht. Inzwischen umfasst der Plastiktütenbestand 122 Nummern, darunter auch die Tüte des Wäschehaus Mulzer am Ludwigsplatz, das ebenfalls erst kürzlich seine Türen für immer geschlossen hat.

Plastiktüten gehören auch zur Ausstellung

Der Plastiktütenbestand des Städtischen Museum Rosenheim umfasst mittlerweile schon 122 Stück. Die jetzt in der Sonderausstellung gezeigten 17 Plastiktüten stammen alle von bereits verschwundenen Geschäften. Die Tüte des Wäschehauses Mulzer unterstreicht die Notwendigkeit, in der Gegenwart das Heute zu sammeln, weil es morgen schon Geschichte und vielleicht verloren ist. Übrigens kam die Plastiktüte vor über 60 Jahren auf die Welt und.  war in der Wirtschaftswunderzeit das Sinnbild für spontanes Einkaufsvergnügen. 

Neben den Plastiktüten sind auch Kleiderbügel Alltagsgegenstände, denen man eigentlich kaum Beachtung schenkt, deren Aufbewahrung aber auch durchaus lohnen kann. Gezeigt werden in der Sonderausstellung beispielsweise drei Kleiderbügel der Konfektionsgeschäfte Kohn und Fichtmann. „Sie sind im Sammlungsbestand des Städtischen Museums Rosenheim die einzigen Zeugnisse zum jüdischen Leben in Rosenheim“, so der ehemalige Museumsleiter. Diese Objekte seien der Anlass gewesen, im Städtischen Museum auch eine Sammlung von Kleiderbügeln anzulegen. Diese umfasst mittlerweile 84 Kleiderbügel sowie Rock- und Hosenspanner. Die 13 Kleiderbügel, die nun der Öffentlichkeit präsentiert werden, stehen alle für Geschäfte, die es mittlerweile nicht mehr gibt.

Kleiderbügelsammlung des Städtischen Museums Rosenheim.

Auch Kleiderbügel können Geschichte erzählen. Das wissen viele Museen. Die erste Ausstellung zum Thema „Kleiderbügel“ wurde 2006 in Berlin gezeigt. Die Erforschung der Kulturgeschichte der Kleiderbügel heißt Pertiologie.

Kinderkleidung in der Ausstellung des Städtischen Museums Rosenheim. Foto: Innpuls.me

Im Jahr 2000 bekam das Städtische Museum Rosenheim einen umfassenden Bestand an Säuglings- und Kleinkinderkleidung geschenkt, der aus dem Haushalt von Rosa Brandmayer (1905 – 2000) stammt. Sie war Lehrerin und lange Jahre aktiv im Katholischen Bildungswerk Rosenheim. Für ihre drei Töchter hat sie gerne genäht und gestrickt, teils aus alten Bettlaken und Stoffresten. 

Afrana-Nähmaschine von Hans Insinger. Exponat im Städtischen Museum Rosenheim. Foto: Innpuls.me

Mit dieser „Afrana“-Nähmaschine hat der Schneider Hans Insinger (1878 – 1939) genäht. Er betrieb in den 1920er Jahren in der Stollstraße 4 in Rosenheim in Nähmaschinengeschäft.

Besucht werden kann die Sonderausstellung „Sammelsurium – Was macht eigentlich das Städtische Museum Rosenheim“ noch bis zum 5. November diesen Jahres. Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag, 10 bis 17 Uhr, 1., 3. und 5. Sonntag im Monat von 13 bis 17 Uhr. Geschlossen Montags, Feiertage.
(Quelle: Artikel: Karin Wunsam / Beitragsbild, Foto: Karin Wunsam)

Hier noch weitere Impressionen der aktuellen Sonderausstellung „Sammelsurium“:

Aus den Nachlass des Rosenheimer Zigarrenmachers Peter Huber. Foto: Innpuls.me

Diese Dinge gehörten einst dem Rosenheimer Zigarrenmacher Peer Huber. Im Adressbuch von 1900 ist dieser bereits als „Cigarrenmacher“ in der Adlzreiterstraße 7 aufgeführt. Die hier gezeigten Holzmodeln dienten zum Trocknen der gerollten Zigarren.

Fesseln aus dem Mittelalter in Rosenheim. Foto. Innpuls.me

Stellte ein Bäcker zu leichte Semmeln her oder panschte ein Bierbrauer Bier, dann konnte es einst in Rosenheim passieren, dass er mit diesen Fesseln am Max-Josefs-Platz öffentlich zur Schau gestellt wurde.

Gervais-Danone - Fruchtzwerge. Foto: Innpuls.me

1930 übernahm die französische Firma Gervais den Betrieb einer verschuldeten Genossenschaftsmolkerei in der Schönfeldstraße in Rosenheim. 2021 stellte Danone den Betrieb in Rosenheim ein. Kurz vorher konnten noch Objekte aus dem Werk in den Bestand des Stadtarchivs und des Städtischen Museums Rosenheim übernommen werden. 

Und zum Abschluss noch ein paar Repros von alten Bildern, die ebenfalls in der Sonderausstellung zu sehen sind und dokumentieren, wie sich das Städtische Museum selbst in all den Jahren verändert hat: 

Küche Städtisches Museum Rosenheim. Foto: Innpuls.me
Küche Städtisches Museum Rosenheim. Foto: Innpuls.me
Foto Städtisches Museum Rosenheim altes Bett
Sammelsurium: Eröffnung und Verabschiedung

Sammelsurium: Eröffnung und Verabschiedung

Rosenheim – Eröffnet wurde am gestrigen Freitagabend die Sonderausstellung „Sammelsurium“ im Städtischen Museum Rosenheim. Für Museumsleiter Walter Leicht war es ein Abschied. Er tritt nun seinen wohlverdienten Ruhestand an. (wir berichteten)

Der Andrang im Städtischen Museum war bei der Eröffnung der Sonderausstellung "Sammelsurium" groß. Foto: Innpuls.me

Der Andrang bei der Eröffnung der Sonderausstellung „Sammelsurium“ im Städtischen Museum Rosenheim war groß. Fotos: Karin Wunsam

Auch in den Nebenräumen standen noch die Gäste. Foto: Innpuls.me

Auch in den Nebenräumen standen noch die Gäste. Nach dem offiziellen Teil gab es Getränke und einen kleinen Imbiss.

Bei der Eröffnung einer Sonderausstellung im Städtischen Museum Rosenheim wird es immer recht eng in den altehrwürdigen Räumlichkeiten. Diesmal war der Andrang aber besonders groß, denn mit der Veranstaltung verbunden war der Abschied von Walter Leicht. 22 Jahre leitete der Rosenheimer das Museum im Mittertor. Nun geht es für ihn in den wohlverdienten Ruhestand. Dank und Anerkennung kamen von Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März. „Das Museum war für dich Berufung und Lebensaufgabe“, sagte er und erinnerte dabei auch an die 53 Sonderausstellungen zu den unterschiedlichsten kulturgeschichtlichen Themen, die Walter Leicht zusammen mit seinem Team in den vergangenen zwei Jahrzehnten geplant, organisiert und durchgeführt hat.

Dr. Christian Höschler wird Nachfolger

Der Nachfolger von Walter Leicht als Leiter des Städtischen Museums Rosenheim ist Dr. Christian Höschler. Der gebürtige Rosenheimer ist bereits Leiter des Stadtarchivs Rosenheim und soll zukünftig auch noch die Leitung des Holztechnischen Museums in Rosenheim übernehmen.
Walter Leicht sprach in seiner kurzen Abschiedsrede bescheiden nicht über sich selbst, sondern sprach dafür Dank aus für alle, die ihm bei seiner Tätigkeit unterstützt haben, darunter auch seine Ehefrau Gabriele Leicht.

Bei der Eröffnung der Sonderausstellung Sammelsurium, von links: Wolfgang Hauck, Kulturreferent der Stadt Rosenheim, Merlene Thimet, Ausstellungsgestalterin, Historikerin Lydia Zellner, Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März und Museumsleiter Walter Leicht

Sind mit dem Ergebnis der Sonderausstellung „Sammelsurium“ zufrieden (von links): Rosenheims Kulturreferent Woflgang Hauch, Ausstellungsgestalterin Marlene Thimet, Historikerin Lydia Zellner, Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März und Museumsleiter Walter Leicht.

Unglaublich viel zu entdecken gibt es bei der Sonderausstellung

Bei der Sonderausstellung gibt es unglaublich viel zu entdecken.

Diesmal steht das Städtische Museum selbst im Fokus

Bei allen bisherigen Sonderausstellungen im Städtischen Museum gibt es bisher immer um Themen aus der Stadtgeschichte. Diesmal steht das Städtische Museum selbst im Fokus. Den Besuchern soll damit vermittelt werden, welche Aufgaben das Museum eigentlich hat und wie Erwerb und Aufbewahrung von Exponaten ablaufen.
Rund 25.000 Exponate umfasst die Sammlung des Städtischen Museums mittlerweile – aber „nur“ 5000 werden in den Ausstellungsräumen präsentiert. Der Rest lagert im Depot. Bei der Sonderausstellung „Sammelsurium“ haben die Besucher nun die Möglichkeit, rund 500 Gegenstände in Augenschein nehmen zu dürfen, die bis jetzt noch nie in der Öffentlichkeit gezeigt wurden (ausführlicher Bericht folgt).
Zu sehen ist die Ausstellung „Sammelsurium“ bis zum 5. November, Dienstag bis Samstag, 10 bis 17 Uhr und jeden 1., 3. und 5. Sonntag im Monat von 13 bis 17 Uhr. Montags und an Feiertagen ist das Museum im Mittertor geschlossen.
(Quelle: Artikel: Karin Wunsam / Beitragsbild, Fotos: Karin Wunsam)

„Tor-Wächter“ geht in den Ruhestand

„Tor-Wächter“ geht in den Ruhestand

Am heutigen Freitagabend wird die Sonderausstellung „Sammelsurium“ im Städtischen Museum Rosenheim im Mittertor offiziell eröffnet. Für Walter Leicht ist es die letzte offizielle Handlung als Museumsleiter. Danach verabschiedet sich der „Tor-Wächter“ nach 22 Jahren in den Ruhestand. Im Gespräch mit Innpuls.me erzählt er über seine ersten Anfänge im Städtischen Museum und was er sich für das Museum wünscht.

Frage: Viele Rosenheimer kennen das Städtische Museum Rosenheim schon aus ihren Kindertagen und verbinden damit viele Erinnerungen. Wie ist das bei Ihnen?
Antwort: Ich muss gestehen, dass das bei mir nicht der Fall ist. Obwohl ich gebürtiger Rosenheimer bin, sagte mir das Städtische Museum als Kind noch gar nichts. Da stand ich lieber auf dem Fußballfeld im Tor.

Frage: Wie wurden Sie denn dann vom Torwart zum Torwächter des Städtischen Museums im Mittertor?
Antwort: Ich fand Geschichte immer schon spannend und faszinierend. Aber Geschichtslehrer kam für mich nach meinem Studium nicht in Frage, weil ich keine Lust hatte, 40 Jahre und mehr nur das zu vermitteln, was das Kultusministerium dazu vorschreibt. So suchte ich nach einer anderen Aufgabe und fand diese, als mich Peter Miesbeck, der spätere Leiter des Rosenheimer Lokschuppens, ansprach, ob ich nicht Lust hätte, Beiträge für die Sonderausstellung „Rosenheim in den 1920er Jahre“ zu schreiben.

Frage: Bei dieser Sonderausstellung ist es dann nicht geblieben. Wie viele Sonderausstellungen haben Sie seitdem noch für das Städtische Museum organisiert?
Antwort: 53 Sonderausstellungen zu den unterschiedlichsten kulturgeschichtlichen Themen. Wobei mir immer wichtig war, dass der Fokus dabei auf der Stadt Rosenheim und ihren Bewohnern liegt.

Frage: Was war aus Ihrer Sicht die bisher wichtigste Sonderausstellung im Städtischen Museum?
Antwort: Die Sonderausstellung „Rosenheim im Dritte Reich“, die sich sehr intensiv mit diesem dunklen Kapitel der Rosenheimer Geschichte auseinandersetzte.

Frage: Lange Jahre haben Sie freiberuflich für das Städtische Museum gearbeitet. Dann kam 2001 die Festanstellung als Leiter des Museums. Wie sehr hat sich das Museum seitdem verändert?
Antwort: Die größte Veränderung kam dadurch, dass das Museum  zwischen 1996 und 1998 um den zweiten Stock des benachbarten Gietlhauses erweitert wurde. Ich wurde mit der Aufgabe betraut, die neuen Räumlichkeiten mit Leben zu füllen. Das war eine große Herausforderung und die Möglichkeit, selbst zu gestalten.

Frage: Wie sind Sie diese Herausforderung angegangen?
Antwort: Im alten Teil des Museums endet die Geschichte der Stadt zum Anfang des 19. Jahrhunderts. Da dachte ich mir, dass die Zeit danach in den neuen Räumen einen Platz bekommen soll und so wurde es dann auch gemacht.

„Aufgabe war für mich eine Herzensangelegenheit“

Frage: Wie sehr ist Ihnen das Städtische Museum seitdem ans Herz gewachsen?
Antwort: Sehr. Ich kann sagen, diese Aufgabe war für mich eine wahre Herzensangelegenheit. Ich durfte über zwei Jahrzehnte die Arbeit und das Wirken dieses Museums prägen und ich hatte dabei großes Glück, weil mir bei dieser Tätigkeit ein toller Förderverein zur Seite stand, der die Begeisterung für die Geschichte der Stadt mit mir teilte, vieles angestoßen hat und  immer ein offenes Ohr und einen offenen Geldbeutel für meine Wünsche hatte.
Frage: Rund 5000 Exponate werden im Städtischen Museum Rosenheim präsentiert. Weitere 20.000 lagern im Depot. Haben Sie ein Lieblingsexponat?
Antwort: Nein, das habe ich nicht. Was mich aber nach wie vor besonders begeistert ist die Aschl-Küche.

Frage: Dabei wirkt diese eher unscheinbar?
Antwort: Auf den ersten Blick vielleicht, aber tatsächlich ist sie ein museales Juwel. Normalerweise wanderten Möbel- und Einrichtungsgegenstände dieser Art in den 1960er Jahren fast ausnahmslos in den Sperrmüll. Es ist also ein seltener Glücksfall, dass diese Küche, die so von der Familie des Rosenheimer Stadtarchivars Albert Aschl in den Jahren von 1926 bis 1982 verwendet wurde, noch fast komplett vorhanden ist und den Besuchern die seltene Möglichkeit gibt, in die Lebenswelt Ihrer Eltern, Groß- und Urgroßeltern einzutauchen.

Frage: Das Mittertor, in dem das Städtische Museum im Jahr 1895 eröffnet wurde, ist ja auch an sich schon ein wichtiges Exponat – aber eines, dass in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend zum Sorgenkind wurde, weil das Gebäude in Bewegung und die Fundamente brüchig sind.
Antwort: Das stimmt. Das war während meiner Amtszeit ein Dauerthema. Die ersten Risse gab es schon zu Beginn meiner Amtszeit und mit den Jahren wurde es immer schlimmer. Akuter Handlungsbedarf besteht zwar laut Experten derzeit nicht, aber dass eine Sanierung kommen muss, ist natürlich klar.

Frage:
Darum wurde auch die Umgestaltung der Römerausstellung vor einigen Jahren noch während der Arbeiten gestoppt und seitdem tut sich dort nichts mehr.
Antwort: Das ist leider so. Es macht ja keinen Sinn, für etwas viel Geld auszugeben, von dem man weiß, dass es nicht lange bleiben kann.

Frage: Hätten Sie nicht gerne die Sanierung des Museums noch während ihrer Amtszeit erlebt?
Antwort: Für die Sanierung und Neuausrichtung muss das Städtische Museum erst einmal komplett ausgeräumt und die Exponate zwischengelagert werden. Danach geht dann wieder an das Einräumen und Gestalten. Ehrlich gesagt, bin ich jetzt mit 65 Jahren in einem Alter, in dem ich nun ganz froh bin, dass ich mich dieser enormen Herausforderung nicht mehr stellen muss.

Frage: Wie stellen Sie sich denn dann ihren Ruhestand vor?
Antwort: Rennradfahren, Bergwanderungen, Skifahren und Lesen stehen auf dem Programm. Außerdem freue ich mich darauf, Zeit mit meiner Enkelin Charlotte zu verbringen. Und dann wird auch sicher meiner Frau einiges einfallen, was es für mich daheim zu tun gibt und für das bis jetzt nie Zeit war. Langweilig wird es mir also sicher nicht.

Frage: Und dem Städtischen Museum drehen Sie nach dem heutigen Tag komplett den Rücken zu?
Antwort: Nein, natürlich nicht. Dort gibt es in wenigen Tagen schon eine Führung mit mir durch die neue Sonderausstellung und wenn mein Rat gewünscht wird, stehe ich auch meinem Nachfolger gerne zur Seite. Sicherlich besuche ich ab und zu bei meinem Weg durch das Mittertor auch die Mitarbeiterinnen des Museums für einen kleinen Ratsch. Aber ständig auf der Matte stehen werde ich nicht. Es liegt nun an meinem Nachfolger, die Geschichte des Städtischen Museums fortzuschreiben.

Frage: Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Städtischen Museums?
Antwort: Dass es ein Museum für Alle bleibt, vom Kindergartenkind bis zu den Senioren mit einem breitgefächerten Angebot.
(Quelle: Interview: Karin Wunsam / Beitragsbild: Karin Wunsam)