Ausflug in die Geschichte von Kolbermoor

Ausflug in die Geschichte von Kolbermoor

KolbermoorIm Depot des Heimat- und Industriemuseums Kolbermoor im Landkreis Rosenheim gibt es mehr Platz: Weil das Museum über die neue Heizzentrale des Bahnhofs beheizt wird, konnte die alte Ölheizung im Keller ausgebaut werden. Damit steht nun ein zusätzlicher Raum zur Verfügung, um interessante Zeugnisse aus Kolbermoors Vergangenheit zu lagern und so für die Nachwelt zu erhalten.

Blick in längst vergangene Zeiten.  In Heimat- und Industriemuseum Kolbermoor wird Geschichte in vielen Bereichen greifbar. Fotos: Staudhammer

Untergebracht ist das Heimat- und Industriemuseum Kolbermoor seit 1998 im ehemaligen Postamt. Betreiber ist der Förderverein Heimatmuseum Kolbermoor, mit Stefan Reischl an der Spitze. Der 48-jährige erinnert sich noch gut an die ersten Anfänge: „Das Museum geht zurück auf die Initiative von Horst Rivier. Er sammelte alles Alte mit Bezug auf Kolbermoor.“

Ausstellung über
drei Etagen

Pflege und Erhaltung des Museums ist dem ehrenamtlichen Engagement des Fördervereins zu verdanken. Die Ausstellungsräumlichkeiten erstrecken sich über drei Etagen. Zusätzlich gibt es noch einen Außenbereich. Ein Großteil der gezeigten Exponate stammen aus Horst Riviers Sammlung. Mit den Jahren kamen aber auch viele weitere Dinge hinzu, meistens beigesteuert von Kolbermoorer Bürgern. Einen Aufnahmestopp für neue Exponate kann es nach Ansicht von Stefan Reischl nie geben: „Die Geschichte Kolbermoors endet ja schließlich nicht plötzlich. Dinge, die uns heute selbstverständlich und vielleicht sogar eher langweilig erscheinen, können für die Nachwelt plötzlich sehr interessant sein.
Die Zahl der Exponate wächst also weiter. Nicht alles kann und soll Platz in den Ausstellungsräumen finden. „Der Auftrag eines Museums lautet nicht nur ausstellen, sondern auch sammeln und bewahren“, erklärt Stefan Reischl.

„Geschichte ist
noch greifbar“

Darum freut sich das ehrenamtliche Team des Heimat- und Industriemuseums Kolbermoor sehr über das neue, zusätzliche Raumangebot, das durch den Wegfall der Ölheizung entstanden ist. Der Boden im Keller wurde saniert. Die Wände frisch gestrichen.  Aktuell werden Regale aufgestellt und die alten Zeitungsbände, Postkarten, Sterbebilder, Firmenprospekte und andere Zeitzeugnisse darin übersichtlich verstaut: „Das wird uns wohl noch bis zum Ende des Jahres in Anspruch nehmen.“

Kolbermoor ist eine noch relativ junge Stadt. Ihren Ursprung hat sie im Jahr 1857 mit der Eröffnung der Bahnlinie München-Holzkirchen-Salzburg. Genau diese Tatsache macht nach Meinung von Stefan Reischl den Besuch des Heimat-Museums so interessant. „Die eher kurze Geschichte Kolbermoors macht vieles für die Besucher greifbarer“, meint er. Ausstellungs-Schwerpunkte sind neben Kolbermoors Industrie- und Ortsgeschichte auch Vereinswesen, Torfabbau und Tiere der Heimat. Die junge Generation begeistert bei einem Besuch oftmals die liebevoll eingerichtete, alte Arbeiterwohnstube ganz besonders. „Weil es da so viele Dinge zu entdecken gibt, die sie gar nicht mehr kennen“, weiß der Vorstand. Die ältere Generation kann dagegen oftmals noch einen direkten Bezug zu den Exponaten herstellen, wie beispielsweise den alten Reklametafeln: „Heute gibt es diese Geschäfte nicht mehr. Aber einige unserer Besucher erinnern sich noch daran, wie sie früher dort eingekauft oder gearbeitet haben.“

Umgang mit NS-Straßennamen

Umgang mit NS-Straßennamen

Rosenheim – In München wurde darüber bereits heiß diskutiert: wann ist ein Straßenname historisch so belastet, dass die Stadt ihn umbenennen muss? Das Stadtarchiv München hat eine entsprechende Liste mit 45 Straßen veröffentlicht. Die Überprüfung läuft. Auch auf die Stadt Rosenheim könnte dieses Problem zukommen, insbesondere durch die Langbehn-Straße, die nach dem völkischen – antisemitischen Philosoph und Autor Julius Langbehn benannt wurde. Außerdem können Oberdonauweg und Niederdonauweg mit dem NS-Regime in Bezug gebracht werden.

Julius Langbehn wurde 1851 in Hadersleben in Nordschleswig geboren. Er galt als Sonderling, arbeitete als Kellner, Sekretär und Fremdenführer. In München und Venedig studierte er Archäologie und nach seiner Dissertation 1881 wirkte er als Lehrer und Journalist.
Bekannt gemacht hat ihn sein Buch mit dem Titel „Rembrandt als Erzieher“. Für zwei Mark war es erhätlich und brachte es bereits im ersten Erscheinungsjahr auf 60.000 verkaufte Expemplare. Langbehn lehnt in diesem Werk die Demokratie ab, spricht sich für die Herrschaft einer Aristokratie aus, erhebt die Deutschen zu Angehörigen der edelsten Rasse und macht offensiv Front gegen die Juden. Heute wird er darum als Wegbereiter des Nationalsozialismus betrachtet.

Was hat Langbehn mit
Rosenheim zu tun?

Was hat Langbehn aber nun mit der Stadt Rosenheim zu tun? Nichts – bis auf die Tatsache, dass er auf dem Weg nach Tirol aufgrund von Krankheit dort Rast einlegen musste und schließlich am 30. April 1907 im Hotel König Otto verstarb.
Tatsächlich wurde die Langbehn-Straße in Rosenheim auch schon einmal unbenannt, im Jahr 1991 auf Anstoß von Historiker Walter Leicht und mit journalistischer Unterstützung der damaligen OVB-Redakteurin Elvira Bibel-Neu. „Aus der Langbehn-Straße wurde die Geschwister-Scholl-Straße“, erzählt er. Aber die Umbenennung währte nur wenige Wochen. Dann wurde daraus erneut die Langbehn-Straße. „Anwohner beschwerten sich, weil sie durch die Straßenumbenennung ihre Postanschrift ändern mussten, und man beugte sich deren Wunsch“, erinnert sich Walter Leicht.

Hinweistafeln an
Straßenschildern

Nicht nur in der Stadt Rosenheim gibt es eine Langbehn-Straße, sondern auch in München, Altötting, Hamburg und Fürstenfeldbruck.
In Puch in Fürstenfeldbruck wurde Langbehn begraben. Auch dort gab es bereits Diskussionen darüber, ob es zu einer Umbenennung von historisch belasteten Straßennahmen kommen muss. Im Jahr 2018 lehnte der dortige Stadtrat diese Maßnahme ab und fasste stattdessen den Beschluss, Hinweistafel mit dem Lebenslauf der betreffenden Personen unter den Straßenschildern anzubringen. Das wurde dann auch so umgesetzt.
In der Stadt Rosenheim gab es nach 1991 keine öffentliche Diskussion mehr zu diesem Thema. Wenn es so weit kommt, muss nach Meinung von Walter Leicht auch über eine Umbenennung des Oberdonauwegs und des Niederdonauwegs nachgedacht werden. Ursprünglich waren das mal Oberösterreichweg und Niederösterreichweg. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten kam die Namensänderung und die entbehrt nach Ansicht des Historikers ohnehin jeglicher Logik.

Nachtrag: Aufgrund meines Artikels wurde reagiert: die SPD-Stadtratsfraktion und „Die-Partei“-Stadträtin Ricarda Krüger folgenden Antrag zur Beratung und Beschlussfassung in den Gremien des Stadtrates Rosenheim gestellt:

„Die Stadtverwaltung wird beauftragt, eine Liste aller Straßennamen in Rosenheim zu erstellen, deren Namensgeber / Ursprung einen Bezug zum Nationalsozialismus aufweisen.
Begründung:
In der Montagsausgabe des Oberbayerischen Volksblatts vom 11.10.2021 war ein Artikel mit der Überschrift „Die Sache mit den Straßennamen“ zu lesen. Darin setzt sich die Redakteurin, Karin Wunsam, beispielhaft mit drei Straßennamen in Rosenheim auseinander, deren Namensgeber bzw. Ursprung mit einer schweren historischen Hypothek belastet sind. Unter anderem wird die „Langbehnstraße“ aufgeführt. Deren Namensgeber, Julius Langbehn, sprach sich als Autor des Werks „Rembrandt als Erzieher“ gegen die Demokratie aus und hetzte gegen Juden. 1991 änderte man den Straßennamen in „Geschwister-Scholl-Straße“. Die Namensänderung währte jedoch nicht lang. Auf den Druck der Anwohner, die sich gegen eine Umbenennung beschwerten, weil sie dadurch ihre Postanschrift ändern mussten, wurde die Namensänderung rückgängig gemacht. Für die SPD-Stadtratsfraktion hat die Auseinandersetzung mit der Zeitgeschichte eine enorme gesellschaftspolitische Bedeutung. Wer sich mit der Vergangenheit nicht auseinandersetzt, kann die Zukunft nicht gestalten. Die Akzeptanz historisch belasteter Straßennamen aus Gründen der Bequemlichkeit ist mit dem Andenken an jene Menschen, die aus rassistischen und menschenfeindlichen Motiven heraus vertrieben und ermordet wurden, nicht zu vereinbaren.“